Dat Steckelche
Kulturelles Engagement in Koblenz
Wer sich in Koblenz auf musikalische Spurensuche begibt, entdeckt bald große Namen der Musikgeschichte. Oft und gern weilte Felix Mendelssohn-Bartholdy in der Stadt, und das Haus der Maria Magdalena von Beethoven, der Mutter des berühmten Komponisten, ist heutzutage ein Museum und eine der bekannten Sehenswürdigkeiten in Koblenz. Träumt man sich in die musikalische Historie hinein, kann man sich etwa vorstellen, wie Ludwig van Beethoven dazumals, vielleicht auf Verwandtenbesuch, in den Straßen der Stadt herumgelaufen und auf dem ein oder anderen Streifzug auch durch Arenberg gekommen ist. Doch solche Fantasien haben ihre handfeste Grundlage in den Reisetagbüchern Ludwig van Beethovens. Im Jahr 1792 führte ihn sein Weg nach Wien auch über Koblenz, wo er am damaligen „Rotenhane 24“ 30 Kreuzer Barrieregeld entrichten musste. Lokalisiert wird diese Barriere heute in Koblenz-Arenberg, worauf der Straßenname „Am Roten Hahn“ zurückzuführen ist – nicht einmal einen Steinwurf von dem Ort entfernt, wo heute der Musiksalon Tomo das traditionelle kulturelle und musikalische Engagement aufnimmt und fortführt. So schließt sich ein Kreis.
Einen weiteren Einblick in die reichhaltigen historischen Ursprünge dieses Engagements gibt der folgende Text.
Kultur und bürgerliches Engagement
von Elisabeth Sauer-Kirchlinne
Kultur ist die Seele einer Stadt, schreibt 2018 Andreas Pecht sinngemäß im Vorwort seines Buches „Aus Liebe zur Musik“.
Zwar ermöglichte noch zu Zeiten des Kurfürsten Clemens Wenzeslaus die Zuwendung des wohlhabenden Bürgers Franz Josef Schmitz 1787 den Bau des Stadttheaters, aber erst ab dem 19. Jh., nach dem Ende der kurfürstlichen Herrschaft, prägte bürgerliches Engagement die „Seele“ von Koblenz. 1808 wurde das bis heute tätige Musik Institut gegründet. 1835 bildeten das Vermächtnis des Pastor Lang und die Auflagen, die Sammlung öffentlich zu zeigen, die Basis des heutigen Mittelrhein Museums.
Neben einem Porträt von Joseph Andreas Anschuez, Initiator, langjähriger Musikdirektor und Intendant des Musik Instituts, zeigt das Mittelrhein Museum ein Bildnis seiner Familie, 1832 gemalt vom Sohn Hermann Anschuez. Während in höfischer Zeit dekorative Attribute und allegorische Figuren den Kunstsinn des Herrschers feierten, übernehmen hier die Kinder und Hausgenossen des Hausherrn deren Rolle, verweisen auf die Bedeutung von Musik, Literatur und Malerei im Hause Anschuez und zeigen die bürgerliche Familie als Musenhof.
1992 wurde das Ludwig Museum im Deutschherrenhaus eröffnete. Das zweite große Koblenzer Museum ist ein weiteres Beispiel bürgerlichen Engagements. Hier etablierten der in Koblenz geborene Peter Ludwig und seine Frau Irene Ludwig ein Museum für moderne und zeitgenössische Kunst. Die Kulturfabrik KUFA, seit 1980 zunächst mit dem Tanztheater Regenbogen eines der ersten soziokulturellen Zentren dieser Art, verdankt seine weitere Existenz ebenfalls bürgerlichem Engagement.
Ebenso die Musiker – Initiative Music live, seit 1984 Anlaufstelle für Musiker und Akteure im Umfeld der regionalen Musikszene. Alle diese Institutionen genießen zwar öffentliche Förderung, sind aber darüber hinaus angewiesen auf private Zuwendungen. Die Koblenzer Kulturstiftung, eine Initiative der ehemaligen Kulturdezernentin Ingrid Batori, versucht hier Lücken zu schließen.
Die Familie Gassen
Am 8.10.2021 konnte im Mittelrhein-Museum Koblenz ein herausragendes Werk der Koblenzer Malerei des 19. Jahrhunderts der Öffentlichkeit vorgestellt werden.
Gottlieb (Theophil) Gassen – „Die Familie Gassen“, 1825-27, Inv.Nr.: M2020_134
Da das Mittelrhein-Museum seit vielen Jahren über keinen Ankaufsetat verfügt, sprangen der Verein der Freundinnen und Freunde des Mittelrhein-Museum und des Ludwig Museums zu Koblenz e.V. sowie die Koblenzer Kulturstiftung ein. Allein dem bürgerschaftlichen Engagement beider ist es zu verdanken, dass dieses einzigartige Gemälde für Koblenz gerettet werden konnte.
Wer ist der Maler?
Gottlieb Gassen wurde am 2.8.1805 in Ehrenbreitstein geboren. Er studierte zunächst von 1821 bis 1825 an der Düsseldorfer Akademie bei Peter von Cornelius. Zwischen 1825 und 1827 hielt er sich in Koblenz auf, um seinen Militärdienst zu leisten, doch wurde er auf höheren Befehl befreit und konnte sich seiner Malerei widmen. In diesen Koblenzer Jahren entstand das große Familienbild.
Als er im Herbst 1827 nach München zog, stand die Kunstwelt dort ganz im Zeichen des Mäzenatentums des bayerischen Königs Ludwig I. (1786-1868, reg. 1825-1848), Viele Gebäude wurden mit monumentalen Fresken versehen, die unter anderem auch von Gottlieb Gassen gemalt wurden.
In Gassens Münchner Zeit entstand auch sein heute vielleicht bekanntestes Gemälde. 1828 porträtierte er den jungen Heinrich Heine, mit dem er zeitweise im selben Haus lebte. Dieses Heine-Porträt befindet sich heute im Heinrich-Heine-Institut Düsseldorf.
Kurz nach 1840 kehrte Gassen nach Koblenz zurück. Gegen Ende seines Lebens ernannte man Gassen zum Konservator und Restaurator der Städtischen Gemäldesammlung, des heutigen Mittelrhein-Museums. Hier gab er 1874 den ersten erhaltenen Katalog der Gemäldesammlung heraus. Am 3.6.1878 verstarb er in Koblenz.
Das Gemälde „Die Familie Gassen“
von 1825-27
Das Besondere an Gassens Familienporträt ist nicht nur seine Qualität und sein gewaltiges Format (2,24 x 2,59 m), sondern auch die ungewöhnlich intime Darstellung der eigenen Familie. Es gibt einen Einblick in die Hausmusik des frühen 19. Jahrhunderts. Wir sehen die Familie des Künstlers im Wohnzimmer um ein Klavier versammelt. Rechts sitzt der Künstler selbst beim Malen des Bildes. Seine älteste Schwester spielt auf dem Klavier. Die Noten sind so genau gemalt, dass man das Stück klar benennen kann. Es handelt sich um ein Lied von Carl Maria von Weber: „Es stürmt auf der Flur“ aus dem Jahr 1813.
Es stürmt auf der Flur, es brauset im Hain, es wogt in der Mächtigen Busen.
Wir sitzen im friedlichen Stübchen allein, uns winken die Gaben der Musen;
von Stürmen und Brausen und Wogen geschieden, fühlen wir Frieden!
Dieses Lied steht inhaltlich in engem Bezug zum Gemälde: Weber thematisiert den Gegensatz von einer politisch aufgewühlten Außenwelt und dem geschützten Innenraum der biedermeierlichen Familie, in der man die Kunst pflegt.
Als das Gemälde am 8.10.2020 in einem Festakt vorgestellt wurde, trugen Tomoko Ichimura (Klavier) und Barbara Loose (Gesang) das Lied „Es stürmt auf der Flur“ von Carl Maria von Weber vor.
Dr. Matthias von der Bank
Direktor des Mittelrhein-Museums Koblenz